Ganz weit weg? Der Akzent als Marker des vertriebenen Ichs in Liliane Lijns Her Mother’s Voice. Ein intermediales/intersprachliches Projekt
ifk Translator in Residence
Die Amerikanerin Liliane Lijn gehört seit Mitte der 1960er-Jahre zu den herausragenden Protagonistinnen der zeitgenössischen Kunst. Seit 50 Jahren vertraut Liliane Lijn auch auf die Magie der Worte, auf deren Energie am Rande des Wahrnehmbaren, was biografische Gründe haben mag: Ihre Kindheit verbrachte die 1939 in New York in ein jüdisches Flüchtlingsumfeld Geborene in einem vitalen Klangraum von sechs Sprachen. Diese Vielstimmigkeit verdichtete sich während ihrer Entwicklungsjahre in Europa. In Gesprächen mit André Breton oder William Burroughs vertiefte Lijn ihr Interesse an der Sprachmagie. Zwischen 1967 und 1974 entstand das visionäre, oratorische Sprachkunstwerk Crossing Map, das sie persönlich in der Werkstatt von Hansjörg Mayer in Stuttgart druckte. Her Mother’s Voice ist ihr unveröffentlichtes Werk, das auf Interviews der Künstlerin mit ihrer Mutter basiert. Dabei erzählt deren starker Akzent ebenso viel über die Migrationsgeschichte wie die Ereignisse selbst. Gaby Hartel beabsichtigt, dieses polyvokale Werk als zweisprachige Hörspieladaption zu erarbeiten und dabei im Auge zu haben, wie sehr ein fremder Akzent zur sprachlichen Heimat werden kann.
Gaby Hartel lebt als Kuratorin, Übersetzerin und Radiomacherin in Berlin und London. Sie studierte Anglistik, Germanistik und Kunstgeschichte in London, Edinburgh, Freiburg und Berlin. 2003 promovierte sie bei Gert Mattenklott über Samuel Beckett als visuellen Künstler. Es folgten nationale und internationale Auszeichnungen für ihre Radiokunst. Zu ihrem Portfolio zählen die Konzeption und Durchführung zahlreicher Ausstellungen, Tagungen, Festivals zum Themenfeld zeitgenössische Kunst, Radiokunst und Literatur u. a. mit Centre Pompidou, Kunsthalle Wien, Neuer Berliner Kunstverein (nbk), Akademie der Künste Berlin, ZKM Karlsruhe, ferner Gastdozenturen und Vorträge u. a. am St Johns College Oxford, an der Kunstakademie Oslo, der Reading University, der Freien Universität Berlin und der Bauhaus-Universität Weimar. Gaby Hartel ist Associate Member der Beckett International Foundationund Alumna der King Edward VII Foundation, London, sowie des University College London.
Gaby Hartel (übers.), Samuel Beckett, Die Deutschen Tagebücher, Berlin 2020; gem. mit Ekkehard Skoruppa, Marie-Luise Goerke, Hans Sarkowicz (Hg.), Choreographie des Klangs. Zwischen Abstraktion und Narration, Göttingen 2015; gem. mit Michael Glasmeier (Hg.), The Eye of Prey. Becketts Film-, Fernseh- und Videoarbeiten, Berlin 2011.
What if our social, emotional and creative capabilities were established by humankind’s oldest medium, the human voice? What happens when a voice transmitting more than the mere informational is addresses you in a real space, in real time? What energies does it carry, transmit or construct? Gaby Hartel is not speaking of booming populists’ voices but of subtle and fragile voices offered to us in friendship – voices which might open spaces to listeners for constructive things to happen.