Gérard Raulet
ifk Senior Fellow


Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2018 bis 31. Januar 2019

Das befristete Dasein der Gebildeten. Benjamin und die französische Intelligenz



PROJEKTBESCHREIBUNG

Auf Ibiza schrieb Benjamin 1934 den Aufsatz „Zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Standort des französischen Schriftstellers“, in dem er fünf Jahre nach seiner Bilanz des Surrealismus („Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz“, 1929) seine Beobachtungen der französischen intellektuellen Szene zusammenfasst und Zweifel äußert an der Fähigkeit der Gebildeten,die herannahende europäische Katastrophe abzuwenden.

Das Forschungsprojekt beschäftigt sich insbesondere mit der erstaunlichen Heterogenität der intellektuellen Akteure, die Benjamin für wichtig und repräsentativ hält, obwohl mehrere von ihnen zur politischen Rechten gehören. Offensichtlich sprengen Benjamins politische Maßstäbe das gängige Links-rechts-Schema und sogar sein eigenes Bekenntnis zum Marxismus Ende der 1920er-Jahre.

Vor dem Hintergrund des Untergangs der Bildungsschicht und der Fragwürdigkeit des intellektuellen Engagements spielen sich Identifikationsvorgänge und Refraktionsprozesse ab, durch welche Benjamin seine eigene Lage und seine eigene Formel des Engagements zu klären versucht – ab und zu auf recht abenteuerliche Weise, wie es seine Einschätzung des Collège de Sociologie und der politischen Positionsnahmen von Roger Caillois oder Georges Bataille, die das Problem der angemessenen Strategie zur Bekämpfung des Faschismus stellen.



CV

Promotion in Philosophie (Paris 1, Panthéon-Sorbonne, 1981), Habilitation an der Universität Paris-Sorbonne (1985). Professor an der Sorbonne (Lehrstuhl für deutsche Ideengeschichte) seit 2003, Direktor des Forschungszentrums Philosophie politique contemporaineam CNRS (1999–2003), Leiter der Groupe de recherche sur la culture de Weimar an der Stiftung Maison des Sciences de l’Homme (1982–1999, 2003 ff.) und des ANR-DFG-Projektes CActuS zusammen mit Axel Honneth (2014–2016). Herausgeber der Reihen Philia (Editions de la Maison des Sciences de l’Homme), Schriftenreihe zur politischen Kultur der Weimarer Republik (Peter Lang), Philosophische Anthropologie (Bautz). Mitglied des Beirats der Zeitschriften The Germanic Review, Athenäum, Allgemeine Zeitschrift für Philosophieund Con-textos Kantianos. International Journal of Philosophy (con-textoskantianos.com), Kulturwissenschaftliche Zeitschrift.

Veröffentlichungen über die Aufklärung, über zeitgenössische politische Philosophie und über die Kritische Theorie.



Publikationen

„Mimesis. Über anthropologische Motive bei Walter Benjamin – Ansätze zu einer anthropologischen kritischen Theorie“, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 64/4 (2016), S. 581 – 602; gem. mit Sarah Schmidt (Hg.), Wissen in Bewegung. Theoriebildung unter dem Fokus von Entgrenzung und Grenzziehung, Berlin 2014; gem. mit Guillaume Plas (Hg.), Philosophische Anthropologie nach 1945. Rezeption und Fortwirkung, Nordhausen 2014; gem. mit Guillaume Plas und Manfred Gangl (Hg.), Philosophische Anthropologie und Politik, Nordhausen 2013; Republikanische Legitimität und politische Philosophie heute, Münster 2012.

Gérard Raulet: DAS BEFRISTETE DASEIN DER GEBILDETEN. Benjamin und die französische Intelligenz

Neueste Publikation von Gérard Raulet:

Die Zwischenkriegszeit ist als ideologische Gemengelage bezeichnet worden. Die Gebildeten jener Zeit waren vom Prekären ihrer Situation so tief überzeugt, dass sie vor keinem intellektuellen Wagnis zurückschreckten. Das gilt auch für Walter Benjamin, der keineswegs nur Beobachter war, sondern dezidiert Position bezog.

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Gérard Raulet ist em. Professor für deutsche Ideengeschichte an der Sorbonne und Leiter der Groupe de recherche sur la Culture de Weimar an der Stiftung Maison des Sciences de l`Homme. Er war im Wintersemester 2018/19 IFK_Senior Fellow.

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19 November 2018
18:15
  • Lecture
IFK
Gérard Raulet

AUSSENSEITER UND NONKONFORMISTEN. ÜBERLEGUNGEN ZU WALTER BENJAMINS KRITISCHEN GRUNDSÄTZEN

Marginalität, Außenseitertum: Jene besondere gesellschaftliche Situation, die dem Juden, dem Homosexuellen oder auch dem Konvertiten gemeinsam ist, kennzeichnet viele der Autoren, mit welchen Benjamin sich befasst hat – z. B. Proust, Jouhandeau oder Green.

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