Ringen um Worte. Diskurs, Politik, Wissenschaft
Autoritäre Diskurspolitik macht aus Gesellschaft ein Sprachlabor, in dem mit den Grenzen des Sag- und Denkbaren experimentiert wird. Sie äußert sich als Kampf um Worte, die entlehnt, entwendet, entleert oder aufgeladen werden, sowie im Einführen neuen Vokabulars. Das Projekt interessiert die Herkunft und der geschichtliche Tiefengrund dieser Begriffe, der kultursemantische Gehalt, der in ihnen steckt. Und es fragt nach den Beziehungen von Diskurspolitik und Wissenschaft. Denn Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind Ziel von anti-intellektuellen Attacken. Zugleich wird die Universität als Kampfgebiet einer metapolitischen Reconquista und Kulturrevolution von rechts deklariert. Auf der anderen Seite wiederum ist sie Schauplatz von linkem Aktivismus, der Studierende zum umstrittenen revolutionären Subjekt macht. Wenn das Projekt (historische) Szenarien der Demarkation, Korruption und Verwicklung untersucht, geht es um Kenntnis vorhandener Möglichkeiten – allem voran im eigenen Ringen um die richtigen Worte.
Jeannie Moser ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und arbeitet an der Schnittstelle von Sprache, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. 2024 habilitierte sie sich mit der Arbeit Die Macht des Misstrauens. Eine Literatur- und Wissensgeschichte, die größtenteils auf einer Forschungsstelle der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur entstand. Sie lehrte und forschte als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin (Postdoc) und der Universität Wien (Praedoc), wo sie mit einer Arbeit zur Entstehungsgeschichte des ›neurochemischen Selbst‹ in der Drogenforschung und Counter Culture promoviert wurde. Sie leitete die ifk Sommerakademie-Sektion Künstliche Gefühle: Rituale, Drogen, Inszenierungen, war Junior Fellow am ifk, Visiting Scholar an der Johns Hopkins University und Stipendiatin am Konstanzer Graduiertenkolleg Die Figur des Dritten. Zuletzt war sie Fonte-Stiftungsgastprofessorin an der FU Berlin, wo sie Gender Studies mit Forschung zur Frühen Neuzeit verband.
Die Macht des Misstrauens. Eine Literatur- und Wissensgeschichte, Habilitationsschrift, TU Berlin 2024.
mit Christina Vagt (Hg.), Verhaltensdesign. Technologische und ästhetische Programme der 1960er und 1970er Jahre, Bielefeld: transcript 2018.
mit Hans-Christian von Herrmann (Hg.), Lesen – Ein Handapparat, Frankfurt/Main: Vittorio Klostermann 2015.
Psychotropen. Eine LSD-Biographie, Konstanz: Konstanz University Press 2013.
mit Arne Höcker und Philippe Weber (Hg.), Wissen. Erzählen. Narrative der Humanwissenschaften, Bielefeld: transcript 2006.
2025 beginnt als eine politische Realität, die sich selbst zu überholen scheint. Schon in den ersten Tagen setzt die autoritäre Zerstörung der Ordnung des Sag- und Denkbaren ein. Das Wort haben Spezialist*innen aggressiver Diskursmanöver.