Nachkriegsschamanismus. Zu einer Geschichte postkolonialer Selbstbeschreibung des Westens
Das Forschungsprojekt versucht anhand von Beispielen aus Wissenschaft, Literatur und Kunst die These zu belegen, wonach der moderne Schamanismus vordringlich eine kulturelle Appropriation der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges war. Konfigurationen des Schamanen spielen dabei besonders für die Angehörigen von Tätervölkern eine exkulpierende Rolle, indem sie ihnen eine Fährte zur Re-Indigenisierung und damit zur postkolonialen Selbstbeschreibung im ausgehenden Zeitalter der ethnologischen Moderne legen. Anhand der Sequenz: Krise – Initiationskrankheit – Heilung – Neuauftrag untersucht das Forschungsprojekt die kulturelle Appropriation von Schamanismus für Joseph Beuys, Nam Jun Paik, Ernesto de Martino, Wilhelm E. Mühlmann, Elias Canetti und Konrad Bayer, wobei es den teilweise unveröffentlichten Nachlass der Autoren in Augenschein nimmt.
Ulrich van Loyen wurde als Literaturwissenschafter mit einer Arbeit über Franz Baermann Steiner und als Sozialanthropologe über Neapels Totenkulte promoviert. Er arbeitet am Lehrstuhl für Medientheorie der Universität Siegen.
Wenngleich die Erforschung des zirkumpolaren Schamanismus bereits im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit der Nobilitierung »anderer Zustände« einhergegangen war, fällt ein großer Teil seiner Faszinationsgeschichte in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.