Fellows

Alexander Honold
ifk Senior Fellow
Zeitraum des Fellowships:
01. Oktober 2017 bis 31. Januar 2018
Diderot deutsch. Zur Kulturpoetik der intermittierenden Übersetzung
PROJEKTBESCHREIBUNG
Für die Rezeption Diderots spielt der deutsche Sprachraum die Rolle eines diskursbegründenden Verbreitungs- und Vermittlungsorgans. Diderots dramatische Lehrstücke (Le Père de famille, Le Fils naturel) wurden durch Lessings Übersetzungen um 1760 international zugänglich. Der pikareske Roman Jacques le Fataliste et son Maître wurde auszugsweise durch Schiller 1785 publik gemacht. Goethes Übersetzung des Dialogromans Le Neveu de Rameau (1804) bildete gar die Basis einer Rückübertragung ins Französische, und die Titelfigur wurde von Hegel als Musterfall eines epigonal verbildeten Bewusstseins aufgegriffen. Der kulturelle Transfer verstärkt die disruptiven Qualitäten Diderots. Bei den Dramen sorgen narrative Rahmungen für Illusionsbrüche, in den Romanen arbeiten sich die Übersetzer durch Kürzungen und Überleitungen an den Digressionen der Vorlagen ab. Ziel der Analyse ist, aus diesen Friktionen die poetologische „DNS“ der Schreibexperimente Diderots herauszupräparieren: eine Ästhetik des sensualistischen Konstruktivismus, die durch Verkreuzung von Gattungen und Diskursformen deren Wirkung auf das Sag-, Fühl-, Sicht- und Denkbare freizulegen sucht.
CV
Alexander Honold ist seit 2004 Ordinarius für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Basel. Er studierte Germanistik, Komparatistik, Philosophie und Lateinamerikanistik in München und Berlin; Promotion 1994 an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über Robert Musil und den Ersten Weltkrieg; Habilitation 2002 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Studie über die Astronomie im Werk Friedrich Hölderlins. Lehrtätigkeit u. a. an der FU Berlin, an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Universität Konstanz; diverse Forschungsaufenthalte (u. a. New York, Stanford, KWI Essen und FRIAS in Freiburg). Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen interkulturelle und Reiseliteratur, Erzählforschung, Theorie und Kultur der Moderne, Literatur und Musik, Geschichte der Landschaftsästhetik, astrokalendarische Wissensformen.
Publikationen
gem. mit Edith Anna Kunz und Hans-Jürgen Schrader (Hg.), Goethe als Literatur-Figur, Göttingen 2016; (Mhg.), Einsatz der Dichtung. Literatur im Zeichen des Ersten Weltkriegs, Berlin 2015; Die Zeit schreiben. Jahreszeiten, Uhren und Kalender als Taktgeber der Literatur, Basel 2013.
- Lecture
Diderot deutsch. Übersetzen und unterbrechen
„Brücken zu bauen“ ist im vielsprachigen Europa eine der Lieblingsmetaphern. Zum Abenteuer des Übersetzens aber gehört auch die Schwierigkeit der unterbrochenen Wege, abgerissenen Kontakte oder der blockierten Überlieferungen. In der deutschsprachigen Rezeption des französischen Aufklärers Diderot bringt das Phänomen der produktiven Unterbrechung sogar erst die Pointe dieses Denkers zur Geltung.
>