Vor neunzig Jahren hat der französische Philosoph und Schriftsteller Julien Benda seinen Traktat über „La trahison des clercs“ im Pariser Verlag Grasset publiziert.
In diesem Text polemisierte er gegen den „Verrat“ der deutschen und französischen Intellektuellen an den Idealen des Universalismus, der Gerechtigkeit und Demokratie zugunsten nationalistischer und rassistischer Haltungen. Unter Berufung auf Descartes und Kant kritisierte er einen neuen Irrationalismus der „passions politiques“, einen Hang zur Krisenrhetorik und zum Pathos der Lebensphilosophie. 1933, Benda war inzwischen 65 Jahre alt, veröffentlichte er bei Gallimard den Discours à la nation européenne, eine frühe Vision der europäischen Einheit. Bendas Werke wurden zwar heftig diskutiert, aber kaum übersetzt; eine englische Übersetzung erschien 1955, ein Jahr vor Bendas Tod, eine deutsche Übersetzung erst 1978. Inzwischen sind die meisten Ausgaben vergriffen. Das Vorwort zur deutschen Erstausgabe bei Hanser hatte übrigens Jean Améry verfasst; es erschien im selben Jahr, in dem er sich in Salzburg das Leben nahm.
Thomas Macho ist Direktor des IFK an der Kunstuniversität Linz in Wien.
Ort: IFK
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