Christopher S.Wood, Professor für Kunstgeschichte an der Yale University, behandelt in seinem Vortrag das Phänomen des „eingebetteten Porträts“ in der Malerei des späten Mittelalters und der frühen Renaissance. Gemeint ist damit das Bild einer realen Person, das in eine biblische Szene eingeführt wird.
Am Beispiel des Gemäldes „Die Beweinung Christi“ des Florentiner Malers Giottino in den Uffizien (ca. 1360) erläutert Christopher S.Wood die Wirkungsmechanismen von bildnerischen Einbettungen: Zwei der Zeit Giottinos gemäße Frauen schließen sich den Trauernden um den Leib Christi an. Die sachlichen Porträts mit ihren verborgenen Reserven von Lebendigkeit lassen die umliegende Geschichte als eine Fiktion erkennen. Die schwere Präsenz des dargestellten Körpers, eine Verdichtung von realen Erfahrungen, beraubt das umgebende mythische Material seiner eigenen Realität. Das Porträt erschafft das Gemälde neu, als eine bloße Hypothese. Für viele aufstrebende Künstler, etwa Michelangelo, war das Porträt ein verarmtes Bild, an einen unbedeutenden Referenten gerichtet. Aber dieser scheinbar semantisch tote Winkel erschloss in der Tat eine neue Dimension, die von der Malerei bisher kaum erfasst war, die Dimension der Subjektivität.
Ort: IFK
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