Die Erforschung weiblicher Gewaltfantasien ist ein Unternehmen, das Mut erfordert. Erstens, weil es eine der Grundannahmen des westlichen Feminismus infrage stellt, nämlich dass die Anwendung von Gewalt und feministische Werte miteinander unvereinbar sind – selbst dann, wenn sich die Gewalt ausschließlich im Reich der Fiktion abspielt. Und zweitens, weil es uns mit einem Imaginären konfrontiert, das ebenso sehr entsetzt wie es zu erheitern vermag. Der Vortrag geht am Beispiel von Patrícia Melos Gestapelte Frauen (2019) weiblichen Gewaltfantasien in der Kriminalliteratur der Gegenwart nach und untersucht das Begehren, das sich in und mit der Gewalt zeigt, in seiner kulturwissenschaftlichen und politischen Bedeutung. Melos Schreiben ist ein Akt des Widerstands gegen die in der Kriminalliteratur herrschende Norm der wehrlosen Weiblichkeit. Sie zeigt uns, wie Gewaltfantasien nicht nur in die konventionelle Beziehung zwischen Gewalt und Geschlecht eingreifen und die symbolische Funktion des Weiblichen in der Fiktion verändern können, sondern wie sie Realität in einem eindeutig feministischen Sinne verhandeln: indem sie eine Kritik am Status quo zum Ausdruck bringen und gleichzeitig eine andere Wirklichkeit vorstellbar machen.
Ort: ifk Arkade & ifk@Zoom
Zurück