Vortragsmitschnitte

Tagung »Alltagsgeschichten von Flughäfen«, Vortrag von Alexandra Ganser





Alexandra Ganser Alltagsgeschichten im Weltraumgehäuse. US-Fernsehserien des Second Space Age


Abgesehen von den Weltraumfahrenden, die auf der International Space Station (ISS) stationiert sind, ist das Thema Alltag im Weltraum bisher immer noch weitgehend fiktional. Bedingt auch durch die gegenwärtige Konjunktur der Hard Science Fiction sind jedoch gerade die Kontinuitäten und Interdependenzen zwischen science und fiction einerseits und Mensch und Maschine, terrestrischen und extraterrestrischen Infrastrukturen andererseits in den V ordergrund getreten. Wie diese V erbindungen in Hollywood - Fernsehserien medial popularisiert werden, bildet den Fokus dieses Vortrags. Das alltägliche Leben im All auf dem Bildschirm vermitteln Serien wie Away (Netflix, 2020) oder Mars (National Geographic, 2016–2018) weitgehend aus der Perspektive heroischer Weltraumpioniere im Wechselspiel mit terrestrischen Spaceports und Kommandozentralen – während die Infrastruktur-Arbeiter*innen und -vertriebenen durch die Unsichtbarmachung von Weltraumressourcen-Ökonomien völlig verschwinden. Die Zuschauer*innen werden in diesen Erzählungen affektiv interpelliert, sich mit den Protagonist*innen eines remote- »unalltäglichen Alltags« im Habitat eines fragilen Gehäuses zwischen Himmel und Erde zu identifizieren. Das wiederholt bemühte Bild der weinenden Astronautenmutter, die für höhere Ziele ihre Familie zurücklässt, wird in diesem Zusammenhang zu einem neuen figuralen Tropus. Zwischen der nahezu heimeligen Enge der Raumkapsel und der bedrohlichen Weite des Weltalls werden die Alltagsheld*innen der Zukunft über das Drama serialisierter terrestrischer Emotionalitäten in einem mythischen, geschlechtlich markierten, astrokolonialen Final-Frontier-Szenario mit uns verbunden. Die kulturelle Arbeit, die hier von der Repräsentation alltäglicher Emotion geleistet wird, liest Alexandra Ganser im Anschluss an Lauren Berlants Konzept des »public sentimentalism« auch als Verhandlung gegenwärtiger Diskurse rund um die Entfaltung globaler Weltraum-Infrastrukturen.
 
Alexandra Ganser ist Leiterin der Forschungsplattform »Mobile Kulturen und Gesellschaften« und Professorin für Amerikanistik an der Universität Wien. Zwischen 2013 und 2018 war sie Elise-Richter- Projektleiterin, gefördert durch den Wissenschaftsfonds der Republik Österreich. Ihre Forschungs- interessen umfassen US-amerikanische, anglo-karibische und kanadische maritime Literatur und Kultur. Ihre jüngsten Projekte konzentrieren sich auf Themen der Mobilitätsforschung, die sich mit Darstellungen von Weltraumkolonisierung und mit Erzählungen von Flucht in der zeitgenössischen nordamerikanischen Literatur befassen.
 
Publikationen (u. a.):
gem. mit Gudrun Rath (Hg.), »Liberty and Death: Pirates and Zombies in Atlantic Modernity«, in: Global Currents = Spec. Issue of Atlantic Studies (erscheint 2023); Crisis and Legitimacy in American Narratives of Piracy, 1678–1865, New York: Palgrave Macmillan 2020; gem. mit Annegret Pelz (Hg.), Mobile Kulturen und Gesellschaften / Mobile Cultures and Societies, Göttingen: V&R / Vienna UP 2020; gem. mit Katharina Gerund und Heike Paul (Hg.), Pirates, Drifters, Fugitives: Figures of Mobility in American Culture and Beyond, Heidelberg: Winter 2012; Roads of Her Own. Gendered Space and Mobility in American Women's Road Narratives, 1970– 2000, New York: Rodopi 2009.